Universitätsklinik für Neurochirurgie
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Univ.-Prof. Dr. Peter A. Winkler
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Das Gehirn ist im knöchernen Schädel in das „Gehirnwasser“ (Liquor cerebrospinalis) eingebettet. Liquor füllt aber auch die Hirnkammern (Ventrikel) im Inneren des Gehirns sowie den von Dura ausgekleideten Spinalraum. Auch im Inneren des Rückenmarks, dem Zentralkanal, findet sich Liquor. Dieser Liquor wird vom Plexus choroideus gebildet, einer Struktur, die größtenteils innerhalb der Hirnkammern gelegen ist, von venösem Blut stark durchflossen wird und den Liquor in die Hirnkammern absondert. Im gleichen Ausmaß, in dem Liquor gebildet wird, wird er auch wieder vom Blutsystem aufgenommen. Dies geschieht in den „Pacchion’schen Granulationen“, in denen der Liquor die Möglichkeit hat, in das Blutsystem zurückzufließen. Zwischen den Bildungsstätten des Liquors und den Resorptionsstätten des Liquors erfolgt ein langsamer Liquorfluss, der die Hirnkammern durchströmt und auch außerhalb des Gehirns und Rückenmarks seinen Weg zieht.
Darstellung der Liquorräume und des Liquorflusses
(aus F.H.Netter, The Ciba Collection, Colorpress, New York)
Störungen des Liquorflusses können an Engstellen zwischen den Hirnkammern (z. B. am sogenannten „Aquädukt“) entstehen, die Folge werden isolierte Erweiterungen von Hirnkammern sein. Aber auch die Rückresorption des Liquors in das Blutsystem kann durch krankhafte Veränderungen an den Pacchion’schen Granulationen gestört sein, was zu einer allgemeinen Erhöhung des Liquordruckes führen wird, mit der Folge von erweiterten Hirnkammern. Wenn dieses Bild längere Zeit besteht, so sind auch Sehstörungen möglich, da die Augen anatomisch als Anteil des Gehirns gelten und länger dauernder erhöhter Liquordruck zu einer Störung am Augenhintergrund (Stauungspapillen) und langfristig zu Sehstörung oder Sehverlust führen kann.
Erweiterungen der inneren Hirnkammern werden als „Hydrozephalus“ bezeichnet.
Zeichnerische Darstellung eines Hydrozephalus
(aus F.H.Netter, The Ciba Collection, Colorpress, New York)
Mögliche Ursachen dieser Erkrankung (Störung der Liquorrücksorption durch Erkrankung der Pacchion’schen Granulationen) sind Entzündungen von Gehirn und Gehirnhäuten (Meningoenzephalitis), aber auch länger andauernde Blutbeimengungen zum Liquor durch Verletzungen. Besonders hervorgehoben sei hier das Geburtstrauma, das heißt Schädigungen des Gehirns oder seiner Häute während des Geburtsvorganges. Aber auch beim Jugendlichen oder Erwachsenen kann nach schweren Schädelhirntraumen ein Hydrozephalus auftreten. In höherem Lebensalter können erweiterte Ventrikel ohne erkennbare Ursache auftreten. Bei dieser als „Altershirndruck“ (Normaldruckhydrozephalus) bezeichneten Krankheit, besteht die Druckerhöhung im Liquorraum durch subtile, nur feinen Messungen zugängliche Veränderungen. Die genaue Natur dieser Form der Liquorflussstörung ist noch nicht vollständig erforscht und stellt einen der Forschungsschwerpunkte der Klinik dar.
Seltenere Formen von Liquorflussstörungen entstehen durch das Auftreten von Tumoren, die die Verbindungen zwischen Hirnkammern verlegen oder aber auch in seltenen Fällen durch eine Abflussstörung des venösen Blutes aus dem Kopf in den venösen Blutleitern, den Sinus. In solchen Fällen ist die Rückresorption des Liquors in das Blut durch diese venöse Stauung erschwert, die Hirnkammern sind gar nicht oder nur gering erweitert und häufig wird die Erkankung durch Störung des Sehvermögens (siehe oben) wirksam.
Die Behandlung von Liquorfluss- oder Liquorresorptionsstörungen liegt wenn möglich in einer Beseitigung der Störung. Dies kann gelingen, wenn wachsende Prozesse (Zysten oder Tumore) den Liquorfluss blockieren. Bei nicht behebbaren Blockaden im Aquädukt kann mittels endoskopischer Technik eine Öffnung in eine Membran im 3. Ventrikel gemacht werden, durch die der Liquor über einen „Umweg“ geleitet werden kann. Dieser Eingriff kann dem Patienten die Anlage eines VA- oder VP-Shunts ersparen.
Störungen der Liquorrückresorption sind nicht chirurgisch behandelbar. Dies kann nur chirurgisch durch Liquor-ableitende Operationen geschehen. Solche Ableitungen können über einen kürzeren Zeitraum (bis zu drei Wochen) durch eine Drainage des Liquors in ein außer dem Körper befindliches Auffangsystem geschehen. Über längere Zeit kann der Liquor nur innerhalb des Körpers abgeleitet werden. Solche „Shuntsysteme“ bestehen aus einem Katheter, der den Liquor aus der Hirnkammer ableitet und unter der Haut einem Ventil zuführt. Die medizinische Industrie bietet eine große Zahl unterschiedlicher, unter der Haut zu platzierender Ventile an, heute sind meist durch die Haut (transcutan) regulierbare Ventile im Einsatz. Von diesem Ventil führt ein ableitendes Drain in eine Halsvene und endet am Eingang des rechten Herzvorhofes (ventrikulo-atriale Ableitung). Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das ableitende Drain unter der Haut bis in den rechten Oberbauch zu führen und dort im Bauchraum enden zu lassen (ventrikulo-peritoneale Ableitung). In selteneren Fällen gelangen auch andere Ableitungssysteme und –orte zum Einsatz.
Sowohl ventrikulo-atriale (VA) Shunts als auch ventrikulo-peritoneale (VP) Shunts benötigen regelmäßige Kontrolle, da der Liquor durch seinen Eiweißgehalt diese dünnen Schläuche und Ventilsystem verkleben kann. Auch kann es möglich sein, dass das Ventil den eventuell geänderten Druckverhältnissen im Kopf angepasst werden muss. Da diese Ventile durch starke Magnetfelder (MR-Untersuchung) verstellt werden können, sollten nach MR-Untersuchungen Kontrollen von regulierbaren Shuntventilen erfolgen. Dies geschieht in der Spezialambulanz für Hydrocephalus und Shuntchirurgie.