Universitätsklinik für Neurochirurgie
Christian-Doppler-Klinik
Ignaz-Harrer-Straße 79
A-5020 Salzburg
Tel.: +43 (0) 5 7255 – 34400
Fax: +43 (0) 5 7255 – 34599
Email: neurochirurgie@salk.at
Univ.-Prof. Dr. Peter A. Winkler
Tel.: +43 (0) 5 7255 – 34400
Fax: +43 (0) 5 7255 – 34599
Email: p.winkler@salk.at
Aneurysmen der Gehirn- und Rückenmarksarterien:
Aneurysmen sind Ergebnis einer krankhaften Veränderung der Wand von Arterien (Schlagadern), die an der Oberfläche des Gehirns oder auch des Rückenmarks verlaufen. Je nach Art dieser Erkrankung werden unterschiedliche Formen von Aneurysmen unterschieden. Das Prinzip dieser Erkrankung ist eine Erweiterung der Arterie, wobei dies sackförmig oder spindelförmig geschehen kann und diese Aussackungen unterschiedliche Größe erreichen können. Kleine Aneurysmen haben dabei eine Größe von wenigen Millimetern, große (sogenannte Riesenaneurysmen) erreichen bis zu 50 mm Durchmesser. Als Ursache für diese Erkrankung kommen neben arteriosklerotischen Veränderungen der Aneurysmenwand, dem Einfluss des Blutflusses und –druckes und genetischer Faktoren auch entzündliche Veränderungen oder Verletzungen der Gefäße durch Traumen in Frage. Nicht alle Faktoren, die an der Entstehung von Gehirnarterienaneurysmen beteiligt sind, sind derzeit schon restlos erforscht und bekannt. Ein wesentlicher statischer Risikofaktor ist das Rauchen.
Die bekannteste Folge der Aneurysmaerkrankung sind jene Symptome, die nach Zerreißen eines Aneurysmas (Ruptur) entstehen. Plötzliche peitschenhiebartige, sehr starke Kopfschmerzen sind für ein solches Ereignis typisch, seltener kann es aber auch zu wiederholten, weniger starken Schmerzattacken kommen, die als sogenannte „Mahnungsblutungen“ gesehen werden können. Häufig sind die Kopfschmerzattacken von Übelkeit und Erbrechen gefolgt. In leichteren Fällen eines solchen Blutungsereignisses kann der Kopfschmerz wieder abklingen und sich die Beschwerden allmählich gänzlich rückbilden. Es kann aber auch zu Bewusstseinsverlust und zum Tod des Patienten kommen.
Abgesehen von Blutungen nach Aneurysmarupturen kann sich diese Erkrankung auch durch neurologische Symptome, wie den Ausfall bestimmter Hirnnerven (z. B. einseitiges Absinken eines Augenlides) oder in seltenen Fällen nur durch allmählich zunehmende Kopfschmerzen oder Lähmungserscheinungen zeigen.
Die heute häufig angewandten, nicht invasiven Untersuchungsverfahren, wie das Computertomogramm (CT) oder die Kernspintomographie (MR), denen ein Patient aus anderen Gründen unterzogen wird, können Aneurysmen aufzeigen, bevor diese zu Beschwerden führen konnten. Solche „Zufallsbefunde“ bedürfen dann ebenfalls einer eingehenden Untersuchung; ob daraus dann therapeutische Konsequenzen abzuleiten sind, wird im Einzelfall zu entscheiden sein (siehe unten).
Die oben genannten Schichtbilduntersuchungen von Gehirn und Rückenmark (CT und MR) können auch so verwendet werden, dass Gefäßdarstellungen in Form von „Gefäßbäumen“ entstehen. Mit diesen CT-Angiogrammen und MR-Angiogrammen können die meisten der Aneurysmen dargestellt werden. Um jedoch genaue Aussagen über die Bauweise von Aneurysmen zu erhalten, speziell, um auch Information über den Blutfluss in den Aneurysmen zu gewinnen, bedarf es der Durchführung einer speziellen Angiographie, der digitalen Subtraktionsangiographie (DSA). Hierbei wird die große Schlagader in einer der beiden Leistenbeugen punktiert und hierüber Zugang zum arteriellen Gefäßsystem gewonnen. Anschließend werden Kunststoffkatheter in den Arterien hochgeführt und mit ihrer Spitze in die großen Schlagadern in der Gegend des Halses platziert. Hierüber wird Kontrastmittel in das Blut injiziert und mittels Röntgenverfahren eine genaue Darstellung des sich in den Gefäßen bewegenden Blutes und Füllung der Aneurysmen erreicht. Diese Untersuchung wird unter normalen Bedingungen in Lokalanästhesie durchgeführt, unter besonderen Bedingungen (Kinder oder sehr betagte Patienten sowie Schwerkranke) wird Vollnarkose verwendet.
3D-Angiogramm der A.carotis interna seitlich
In vielen Fällen wird nach Abschluss der erforderlichen Untersuchungen als nächster Schritt die Behandlung des Aneurysmas, das heißt, der Verschluss der krankhaften Gefäßerweiterung die Folge sein. Allerdings ist es Aufgabe der behandelnden Ärzte, in jedem Einzelfall die Risikolage des geplanten Behandlungsschrittes (Mikrochirurgie oder endovaskuläre Embolisation) mit dem sogenannten „natürlichen Risiko“, das ist das Risiko, das Aneurysma unbehandelt zu lassen, zu vergleichen. Bei Aneurysmen, die geblutet haben, ist das Risiko einer Zweitblutung (Nachblutung) hoch, sodass die Entscheidung in den allermeisten Fällen zugunsten der Aneurysmenbehandlung, des Aneurysmaverschlusses, fallen wird. Bei Aneurysmen, die nicht geblutet haben, ist die für den Patienten wichtige Frage des persönlichen Blutungsrisikos nicht genau zu beantworten; Informationen hierüber kann der behandelnden Arzt aus der Größe und Lage des Aneurysmas, der Symptome des Patienten, aber auch aus wissenschaftlichen Daten über Untersuchungen dieses Risikos bei großen Patientenzahlen gewinnen. Die Risikoabwägung für oder gegen eine Behandlung wird in diesem Fall sorgfältig und immer im Gespräch mit dem betroffenen Patienten nach Möglichkeit auch unter Einbeziehung von Angehörigen durchgeführt.
Wenn die Entscheidung zugunsten einer Behandlung gefallen ist, dann gilt es zu besprechen, welche Behandlungsform (Mikrochirurgie oder endovaskuläre Embolisation) in diesem spezifischen Einzelfall sinnvoll ist. Da sich diese beiden Behandlungsmethoden in ihrem Zugang, ihrer Effizienz und Langzeitsicherheit und in der allgemeinen Belastung des Patienten durch den Eingriff voneinander unterscheiden, wird diese Entscheidung anhand von Faktoren, wie Lage, Form und Größe des Aneurysmas, bisherigen Symptomen und weiteren Patienten bezogenen Faktoren, wie Lebensalter, allgemeiner gesundheitlicher Zustand etc. abhängig sein. Das Ziel dieser Entscheidung ist es grundsätzlich, das für den Patienten effizienteste und sicherste Verfahren zu wählen. Da an der Neurochirurgischen Universitätsklinik in Salzburg beide Verfahren ein Schwerpunkt in der Behandlung unserer Patienten darstellen, kann diese Entscheidung mit großer Treffsicherheit im Sinne eines optimalen Behandlungsergebnisses für die Patienten getroffen werden.
Skizze eines Aneurysmaverschlusses durch Clips (Mikrochirurgie)Bild L-Basilarisaneurysma vor und nach Embolisation mit Coils (Bild R)
Je nach dem Gesundheitszustand des Patienten unmittelbar vor dem Behandlungseingriff, wird der Aufenthalt an der Intensivstation nach dem Eingriff kürzer oder länger ausfallen. Hierbei darf nicht übersehen werden, dass der Verschluss des Aneurysmas dem Zweck dient, eine Gefäßruptur und Blutung zu vermeiden oder andere, nicht blutungsbezogene Symptome, wie Druck auf die Umgebung bei Riesenaneurysmen zu minimieren. Sind aber etwa durch eine abgelaufene Blutung bereits Schäden am Gehirn eingetreten, so wird die Behandlung dieser Schäden (wie z. B. der Gefäßkrampf – Vasospasmus) nicht durch den Aneurysmaverschluss, sondern durch die neurointensivmedizinische Behandlung erfolgen.
Die Nachsorge von Patienten, die wegen einer Aneurysmaerkrankung behandelt wurden, erfolgt durch die Gefäßambulanz der Neurochirurgischen Klinik.
Arterio-venöse Missbildungen (Angiome und Fisteln):
Im Gefäßsystem des Gehirns und Rückenmarks kann es zur Ausbildung von Kurzschlüssen zwischen dem System der Arterien (Schlagadern) und dem der ableitenden Blutgefäße (Venen) kommen. Solche Kurzschlüsse sind auch beim Gesunden bereits als feinste, funktionell unbedeutende Mikrogefäße (Kapillaren) von der Natur angelegt und werden dann später durch Einflüsse wie z. B. Verschluss von Venensystemen durch Thrombose, Verletzungen von Blutgefäße an Stellen, wo Schlagadern und Venen nahe beieinander liegen, so eröffnet, dass das unter hohem Druck stehende Blut der Arterien durch die entstandene Fistel (englisch „Shunt“) in das venöse Gefäß fließt. Ein wesentlicher Faktor in der Entstehung solcher arterio-venösen Shunts sind auch genetische Faktoren, weshalb von AV-Malformationen gesprochen wird (Gehirnangiomen).
(aus Microneursurgery IIIA, M.G. Yasargil, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York)
AV-Malformationen können im Gefäßsystem von Gehirn und Rückenmark auftreten und werden meist in den frühen Lebensjahrzehnten symptomatisch. Je nach Stärke des Blutflusses durch die AV-Shunts entstehen Symptome, wie z. B. Kopfschmerzen oder neurologische Symptome wie Lähmungen oder Anfallsleiden. Durch die veränderten Druckverhältnisse (speziell in den Venen) kann es auch zu Gefäßruptur und zu Gehirnblutungen kommen.
Skizze einer AV-Malformation mit Nidus und abführenden Venen
Die Entscheidung, ob eine arterio-venöse Malformation behandelt werden soll oder nicht, wird (analog zu den Aneurysmen) in Abwägung der aufgetretenen Symptome und in Risikoabschätzung zwischen dem Risiko der möglichen Behandlungen und dem des sogenannten natürlichen Verlaufes erfolgen. Bei AV-Malformationen, die bereits geblutet haben, ist das Risiko einer Zweit- bzw. Nachblutung hoch, sodass in den allermeisten Fällen eine Behandlung eingeleitet wird. Bei Patienten mit AV-Malformationen, die bisher nicht geblutet haben, wird in sorgfältiger Abwägung der bisherigen Symptome, des angiographischen Befundes, der Abwägung des spontanen Risikos aus wissenschaftlichen Untersuchungsdaten über AV-Malformationen und der Risikolage der möglichen Behandlungsschritte vorgegangen werden. Diese komplizierten Überlegungen werden grundsätzlich gemeinsam mit dem Patienten und eventuell mit seinen Angehörigen in ausführlichen Gesprächen gemacht und so gemeinsam mit dem Patienten eine Entscheidung herbeigeführt.
Als Behandlung von AV-Malformationen stehen die endovaskuläre Embolisation, die Mikrochirurgie und die „Radiochirurgie“ zur Verfügung. Dieses letztere Behandlungsverfahren besteht aus fokussierten (das heißt genau auf den Gefäßprozess zentrierten) Bestrahlungen mittels dem „Gamma-Knife“ oder dem Linearbeschleuniger. Ähnlich wie bei zerebralen Aneurysmen haben auch hier die drei möglichen Behandlungsformen (die auch in Kombination miteinander angewandt werden können) jeweils unterschiedliche Vor- und Nachteile und Risiken. Daher wird mit dem Patienten in Erklärung der Eigenheiten jedes Behandlungsweges die richtige Behandlungsform oder Kombination ermittelt werden.
Durale arterio-venöse Fisteln:
Durale arterio-venöse Fisteln im Bereich des Schädels oder im Bereich der Wirbelsäule sind Erkrankungen, die ebenfalls auf einem Kurzschluss zwischen dem arteriellen Gefäßsystem und dem venösen Gefäßsystem beruhen. Im Gegensatz zu den zuvor erwähnten Angiomen von Gehirn und Rückenmark liegt die krankhafte Veränderung hier jedoch im Bereich der Häute, die Gehirn und Rückenmark umgeben, der Dura mater. Die Symptome, die von dieser Krankheit ausgelöst werden, hängen davon ab, an welcher Stelle diese Erkrankung auftritt und reichen daher von funktionellen Störungen des Gehirns und des Rückenmarks bis hin zu Blutungen. An Behandlungsmöglichkeiten besteht auch hier die endovaskuläre Embolisation und die Mikrochirurgie. Die Strahlentherapie (siehe oben) kommt nur in seltenen Einzelfällen zur Anwendung.
Arterio-venöse Fisteln können sich nicht nur im zarten Gefäßsystem (den Kapillaren) des Gehirns und Rückenmarks oder der Hirnhäute entwickeln, sie können auch zwischen großen Gefäßen entstehen. Ursache hierfür sind jedoch meist Verletzungen, die an Stellen auf die Gefäße einwirken und zu Zerreißungen führen, wo große Arterien in unmittelbarer Nähe von venösen Blutleitern liegen. Bei schweren Schädel-Hirn-Verletzungen, bei denen es zu Frakturen der Schädelbasis kommt, können „Carotis-Sinus-cavernosus-Fisteln“ oder „Vertebralisfisteln“ entstehen. Die erstere Erkrankung äußert sich durch Veränderungen an einem Auge, die meist im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer schweren Schädel-Hirn-Verletzung auftreten. Die Behandlung dieser Veränderungen erfolgt heute ausschließlich durch die endovaskuläre Embolisation.
Die Skizze zeigt Verletzungen der Arteria carotis interna (schwarz) im Sinus cavernosus (blau) nach Schädelbasisfraktur.
Zu den Gefäßerkrankungen des Zentralnervensystems zählen auch Prozesse wie „Kavernome“ und „Hämangioblastome“. Die Symptome beider Erkrankungen sind mannigfaltig und hängen von der Lage dieser Prozesse im Gehirn ab; die Diagnostik beruht in erster Linie auf dem Schichtbildverfahren, MR, in vielen Fällen wird auch eine Angiographie angeschlossen. Die Behandlung dieser Erkrankungen besteht in erster Linie in der mikrochirurgischen Entfernung, die Strahlentherapie kommt nur ausnahmsweise und in Einzelfällen zum Einsatz.