Universitätsklinik für Neurochirurgie
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Univ.-Prof. Dr. Peter A. Winkler
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Endovaskuläre Behandlungen erfolgen auf dem Wege durch das Gefäßinnere. Der Zugang zum Gefäßsystem erfolgt dabei in der Regel durch Punktion der großen Schlagader (Arterie) in einer der beiden Leistenbeugen. Falls erforderlich, kann auch eine der hier liegenden großen Venen punktiert und begangen werden. Falls erforderlich, stehen auch andere Zugangswege zum Gefäßsystem zur Verfügung.
Über die großen Gefäße des Körpers werden Kathetersysteme in das Blutgefäßsystem des Kopfes, des Gehirns oder des Rückenmarks hochgeführt. Dabei kommen Koaxialsysteme zum Einsatz, das heißt, dass Katheter unterschiedlichen Durchmessers ineinander geschoben verwendet werden. Zur Vermeidung von Blutgerinnseln werden diese koaxialen Kathetersysteme permanent mit Heparinlösung gespült. Zur besseren Führung und Steuerung der Katheter gelangen Führungsdrähte zum Einsatz, die durch spezielle Bauweise und Oberflächenbeschaffenheit es ermöglichen, dass die Katheter zielgenau in bestimmten Blutgefäßen manövriert und zum Zielort geführt werden. Zuinnerst im koaxialen System läuft schließlich ein sehr zarter Mikrokatheter, dessen hochtechnische Bauweise unterschiedliche Anwendungen ermöglicht (siehe unten).
Die Sichtbarmachung all dieser Bewegungen erfolgt durch Röntgentechnik, wobei ausgefeilte, hoch moderne biplane Anlagen es erlauben, die Bewegungen dieser endovaskulären Werkzeuge mit hoher Präzision in den Blutgefäßen des Gehirns durchzuführen. Auch räumliche (3D) Darstellungen der Blutgefäße und ihrer krankhaften Veränderungen sind möglich.
Endovaskuläre Eingriffe lassen sich in zwei große Gruppen einteilen. Hier sind zunächst die verschließenden Eingriffe zu nennen, bei denen die therapeutische Aufgabe darin besteht, krankhafte, oft blutungsbereite Veränderungen am Gefäßsystem, wie Aneurysmen, AV-Angiome, AV-Fisteln, aber auch bestimmte Tumore zu verschließen. Dem gegenüber stehen wiedereröffnende (rekanalisierende) endovaskuläre Eingriffe, durch die verschlossene Gehirnarterien wiedereröffnet werden oder strömungsbehindernde Engstellen in solchen Arterien erweitert werden. Rekanalisierende Eingriffe werden zur Vorbeugung von Schlaganfällen oder aber zur Behandlung von akuten Schlaganfällen angewandt.
Die Embolisation von Aneurysmen:
Embolisationen von Gehirnarterienaneurysmen wurden vereinzelt bereits in den 70er und 80er Jahren durchgeführt, wobei damals aufblasbare Mikroballone zum Einsatz kamen, die im Aneurysma platziert und aufgeblasen dieses ausfüllen und damit vor einer Blutung schützen sollten. Eine wesentliche Verbesserung in der Verlässlichkeit der endovaskulären Aneurysmenbehandlung erfolgte durch die Einführung ultraweicher Mikrospiralen
aus Platin und (heute) anderen Materialien, die über Mikrokatheter (siehe oben) in das Aneurysma eingebracht werden, darin platziert werden und schließlich von dem sie führenden Mikrodraht abgetrennt werden.
Hierzu wird zunächst über ein Koaxialsystem (siehe oben) ein Mikrokatheter in das Aneurysma unter Röntgenkontrolle eingebracht. Je nach Lage, Größe, Form und Blutungszustand des Aneurysmas steht eine Vielzahl von möglichen Coils und anderen endovaskulären Werkzeugen zur Verfügung. Um bei breitbasigen Aneurysmen das „Herausfallen“ des Coils in das Aneurysma-tragende Gefäß zu verhindern, wird in solchen Fällen in das Gefäß ein sehr zarter Gitterschlauch (Stent) eingebracht.
(Boston Scientific, Natick, MA, USA)
Anschließend wird das Aneurysma mit Coils gefüllt, bis Kontrastmittelinjektionen zeigen, dass nun kein Blut mehr in das Aneurysma eindringen kann.
Die endovaskuläre Behandlung von Aneurysmen mit Coils (mit oder ohne Unterstützung durch Stents) stellt eine moderne Behandlungsform mit geringer „Invasivität“ dar. Die geringe Belastung, die das umgebende Gehirn durch diese Behandlung erfährt, hat dazu geführt, dass heute die Mehrzahl der Gehirnarterienaneurysmen nicht mehr durch Mikrochirurgie, sondern auf diesem Wege behandelt wird. Der Schonung des Gehirns steht jedoch der Nachteil gegenüber, dass die eingebrachten Platinspiralen auf Grund ihrer Weichheit vom in der Arterie vorbeifließenden Blutstrom zusammengepresst werden können und sich dadurch ein Teil des Aneurysmas wieder eröffnet. „Embolisierte Aneurysmen“ benötigen daher im Gegensatz zu „mikrochirurgisch geklippten Aneurysmen“ vermehrte Verlaufskontrollen und gegebenenfalls auch wiederholte endovaskuläre Eingriffe.
Angiographie eines zerebralen Aneurysmas vor und nach Embolisation mit Coils.
Die endovaskuläre Behandlung zerebraler AV-Malformationen (Gehirnangiome):
Das Prinzip der endovaskulären Behandlung von AV-Malformationen (AVM) des Gehirns
Zeichnung einer zerebralen AV-Malformation mit Nidus und abführenden Venen.
besteht im Verschluss der pathologischen Gefäßknäuel des „Angiomnidus“. Dies geschieht durch das Einbringen von flüssigen oder halbflüssigen Substanzen, die sich genau im Zielgebiet, das heißt an der Stelle des AV-Shunts, verfestigen. Diese Technik kann auch durch die Verwendung von mikroskopisch kleinen Kunststoffpartikel unterschiedlicher Größe ergänzt werden. Auch hier besteht das Prinzip des Zuganges darin, dass über koaxiale Kathetersysteme speziell für die AVM-Embolisation konzipierte Mikrokatheter in das Gefäßlumen des AVM-Nidus eingebracht werden.
Angiogramm einer zerebralen AVM. Der dargestellte Mikrokatheter reicht mit Spitze bis zum AVM-Nidus.
Wiederholte Injektion von Kontrastmittel in die Mikrokatheter erlaubt angiographische Studien der Architektur der Malformation, um zuführende Arterien und abfließende Venen sowie deren Beziehung zueinander zu verstehen. Dies ist Voraussetzung für die korrekte Platzierung des aushärtenden Materials im AVM-Nidus. Da die meisten AV-Malformationen aus unterschiedlichen funktionellen Teilen (Compartments) bestehen und der plötzliche Verschluss zahlreicher oder hoch wirksamer AV-Shunts für die Gesamtdurchblutung des Gehirns von Nachteil sein kann, werden Embolisationen mittelgroßer bis großer AV-Malformationen häufig in mehreren Sitzungen durchgeführt.
Angiogramme einer zerebralen AV-Malformation vor und nach Embolisation. Bildmitte: Mikrokatheter und Embolisationsmaterial im Nidus.
Die endovaskuläre Rekanalisation beim akuten Schlaganfall:
Das Prinzip dieses endovaskulären Eingriffes besteht in der Wiedereröffnung der durch ein Blutgerinnsel verschlossenen Gehirnarterie. Diese Wiedereröffnung muss unter großer zeitlicher Dringlichkeit erfolgen, da die Durchblutungsstörung des nicht mehr durchbluteten Hirnareals sehr bald zu irreversiblen Funktionsstörungen führen wird. Zur Beseitigung des Gerinnsels stehen grundsätzlich zwei unterschiedliche endovaskuläre Verfahren zur Verfügung, die oft in Kombination angewandt werden. Die „topische Lyse“ (chemische Auflösung des Gerinnsels) und „Clot-Retrieval“ (Entfernung des Gerinnsels).
Voraussetzung ist der Aufstieg eines koaxialen Kathetersystems (siehe oben) und, nach angiographischer Darstellung der Verschlusstelle der betroffenen Gehirnarterie, das Platzieren eines speziell dafür geeigneten Mikrokatheters unmittelbar vor der Verschlusstelle. Über den Mikrokatheter können nun hochwirksame Substanzen dem Blutfluss beigegeben und damit an das Gerinnsel herangebracht werden, die in der Lage sind, Blutgerinnsel rasch aufzulösen. Im Gegensatz zur intravenösen Verabreichung von Gerinnsel auflösenden Substanzen kann mit diesem Verfahren mit viel geringeren Mengen an Wirksubstanz bei höherer Konzentration vor Ort gearbeitet werden.
Da sich große Gerinnsel nicht rasch auflösen oder aber auch im Blutgerinnsel feste Bestandteile (Kalkabsiedelungen aus dem Herzen oder den Halsschlagadern) vorliegen können, wurden Methoden entwickelt, um Gerinnsel mechanisch zu bergen. Hierzu stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung, deren Prinzip darin besteht, das Gerinnsel zu erfassen, zurückzuziehen und aus dem Kathetersystem nach außen zu bringen, ohne dass es dabei zerfällt und andere, bisher unbetroffene Gehirnarterien gefährdet.